Fazit nach 100 Tagen Reise

von root

Jetzt sind wir schon 100 Tage unterwegs, genauer gesagt: 100 Tage aus dem Drachennest ausgezogen, und endlich darf ich auch mal zu Wort kommen! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, für mich, Pingu, zusammen mit meinen Begleitern ein weiteres Fazit zu ziehen. Wenn Ihr mich fragt: Ich selber hocke die ganze Zeit eingeklemmt hinter dem Griff des Esszimmer-Fensters und darf – vom Trockenen aus – die wechselnde Landschaft bewundern. Wahnsinn, wie unterschiedlich die Natur von Frankreich über Spanien bis hierhin nach Portugal schon war. Und natürlich auch die Jahreszeiten, Winter und Frühling. Durchgerüttelt wurde ich bislang nur wenig, denn hauptsächlich wurde ich über Teerstraßen chauffiert. Aber selbst die waren nicht immer bestens; insbesondere hier in Portugal sind „geflickte Straßen“ ein wahres Wunderwerk, oder gar abgebrochene Fahrbahnränder – vor allem auf kurvigen Straßen in den Bergen. Und so langsam hole ich mir auch tatsächlich einen Sonnenbrand hinter der Scheibe, denn die Sonne in Spanien und Portugal ist schon recht intensiv. Aber wie gefällt es eigentlich Tanja und Boris bislang? Wie würde Ihr zweites Fazit lauten? Ich frage sie einfach mal und was liegt näher, einen Teil der Fragen aus dem Sommer 2017 zu nehmen, als die beiden noch beim Träumen waren.

Pingu: Damals war ja noch nicht klar, welches Reisefahrzeug Ihr haben wollt. Auch das ganze Schwanken zwischen LKW und Iveco Daily… Oh je! Wie zufrieden seid Ihr denn dann mit Patsha und wie war für Euch die Umstellung auf’s LKW-Fahren?

Boris: Eigentlich bin ich sehr zufrieden mit der Entscheidung, einen LKW gekauft zu haben. Er ist die perfekte Wahl, insbesondere, wenn man nicht nur Urlaub machen möchte, sondern darin leben will. Man braucht einfach einen gewissen Platz, für Ersatzteile und so, d.h. einen großen Stauraum. Und daher gibt es für mich am Ende keine andere Alternative.

Was Patsha angeht, war unser Basisfahrzeug wider Erwarten eine richtige „Zicke“, momentan jedoch mit Tendenz in Richtung Stabilität. Ich weiß nicht, ob ich mich noch einmal für ein altes Basisfahrzeug wegen „wenig Technik“ entscheiden würde oder ein modernerer Allrad-LKW nicht besser gewesen wäre. Aber begeistert bin ich von der Geländefähigkeit unseres Expedis, wobei über den Verbrauch man dann besser nicht redet…

Das LKW Fahren macht mir Spaß und ist irgendwie „gemütlich“. Man fängt zwar nicht bei null an, aber man braucht schon eine gewisse Eingewöhnungszeit, vor allem „offroad“.

Tanja: Also für mich ist unser LKW in Summe zu groß, oder die Straßen zu eng. Je nachdem. Insbesondere in Frankreich und Portugal kann dies manchmal echt tricky werden. Da überlasse ich gerne Boris das Fahren, denn wenn ich fahre, „sammel ich immer Autos hinter mir“. 😉 Aber Langstrecke über Autobahn ist genau mein Ding. 😉 Und ich hätte gerne immer noch einen Iveco Daily… *schluchz*

Pingu: Ihr habt Euch damals auch gefragt, was mit Eurem Haus – dem Drachennest – passieren wird, welches Ihr ja letztes Jahr verkauft hattet. Wie ist das nun, 24 Std. auf knapp 10 qm zusammen unterwegs zu sein und wie kommt Ihr derzeit mit dem Weniger an „Luxus“ aus?

Tanja: Zwar ist unser Wohnkoffer nicht der Größte, aber alles, was wir brauchen, ist mit dabei. Man braucht keine 100 qm oder mehr, wenn man den unendlich großen Garten vor der Haustür hat, natürlich gutes Wetter vorausgesetzt, und dies hatten wir hauptsächlich. Innen drinnen kann es ansonsten etwas eng im Flur werden, aber wir sind ja schlank. 😉 Mit der Raumaufteilung sind wir nach wie vor sehr zufrieden, auch wenn eine Rundsitzgruppe schon toll gewesen wäre. Aber hier fehlten ja die berühmten 20 cm. Ach ja, wir wollten ja noch eine Roomtour machen…

Boris: Mit den neuen Besitzern unseres Drachennestes hatten wir richtig Glück, denn es ging in die richtigen Hände, und damit bleibt ein sehr gutes Gefühl zurück! Die Größe unseres neuen Zuhauses ist auch für mich ideal, die richtige Mischung aus Minimalismus und Komfort, d.h. das Auto hat alles, was man braucht und ist für’s Reisen perfekt. Luxus haben wir im Wohnkoffer immer noch und mehr brauche ich nicht. Wichtig ist für mich: Eigenes Bad mit Dusche und Toilette, und ein großes Bett. Aber insbesondere klasse ist der Ausblick durch die Fenster in alle Richtungen – ein großer Unterschied zum Reisen mit Zelt! Aktuell verbringen wir meiner Ansicht nach noch zu viel Zeit im Wohnkoffer, aber dies wird zukünftig hoffentlich anders: Mehr draußen, da das wärmere Wetter nur besser werden kann!

Pingu: Eigentlich war für Euch schnell klar, in Europa reisen zu wollen. Auch die Richtung – nach Süden – war wegen dem Aufbruchzeitraum im Winter schnell getroffen. War die Entscheidung die Richtige, nach Frankreich und Spanien aufzubrechen, und nicht – wie viele andere – nach Griechenland?

Boris: Weiß ich nicht. Ich kann nicht beurteilen, ob Griechenland anders gewesen wäre. Aber Frankreich als erstes Reiseland war – wie soll ich es formulieren – „schwierig“, weil unser LKW für die Straßen einfach zu groß war und damit nicht geeignet. Um bitte nicht falsch verstanden zu werden: Unsere Begegnungen mit anderen Menschen in Frankreich waren immer toll und spannend; das Wetter im Januar und Februar war wirklich gut, mit viel Sonne. Und auch die Landschaft war beeindruckend. Aber wirklich Spaß gemacht hat das Fahren erst ab Spanien, weil ab hier Fahrzeuggröße und Infrastruktur besser zusammen paßte.

Tanja: Man kann immer schwer beurteilen, ob das, was man nicht gemacht hat, doch die bessere Wahl gewesen wäre. Aber insbesondere Spanien hat es uns sehr angetan, so daß wir hier gerne mehr Zeit verbracht haben, als gedacht. Auch war ja die Idee, noch nach Marokko überzusetzen. In diesen Tagen haben sich ja dann auch tatsächlich erst die Grenzen für Fähren geöffnet, nur leider zu spät für uns!

Pingu: Ist die Reise für Euch „wild“ und nahe genug an der Natur? Das wolltet Ihr ja hauptsächlich.

Boris: Einfach so frei Campen wird teilweise nicht gerne gesehen – weil’s zu viele machen oder Leute einfach zu viel Dreck hinterlassen. Ich würde gerne mehr offroad fahren, oder auch mehr eigenverantwortlich Feuer machen können. Das wird aber oft reglementiert. Ach ja, Tanja hat das Wilde an mir nicht akzeptiert: Vollbart ab! 😉

Tanja: Ja, der Bart war wirklich schon sehr lang! 😊 Ich muß gestehen, in Europa hatte ich von vorne herein nicht erwartet, daß es einsam oder „wild“ sein würde, da es einfach viel zu viele Menschen gibt. Da waren unsere Erfahrungen in Afrika oder in Nord- oder Südamerika schon anders. Insofern ist es für dieses Jahr und in Europa okay.

Pingu: Wie steht es eigentlich um Eure Autarkie?

Tanja (lacht): Also, das begrenzende Limit sind Schoko und Bier. 😉 Aber ehrlicherweise sind es tatsächlich die Nahrungsmittel und Getränke vor allem anderen.

Boris: Generell sind wir erstmal komplett autark, denn von Wasser über Strom haben wir alles onboard. Nachdem wir die Stromkonfiguration, d.h. den Wert zur Erkennung einer Vollaufladung, korrigiert hatten und wir jetzt wissen, wie der Status unseres Batteriesystems wirklich ist, brauchen wir praktisch keine externe Aufladung mehr. Hätten wir im übrigen auch nicht im Winter gebraucht, wenn wir unseren B2B angeschaltet hätten. Tja, lessons learned. Und mit unserem 440 l Wassertank kommen wir auch gute 2 Wochen, wobei nur ich diesen bislang als Trinkwasser nutze.

Pingu: Was war für Euch bislang am Schönsten? Welches „Lowlight“ gab es leider?

Boris: Also bei „Lowlight“ fällt mir direkt ein, daß wir für mich zu viele Reparaturstopps hatten. Es hat sich erst sehr spät das Gefühl eingestellt, auf Reisen zu sein, also eine Art Entspannungsgefühl. Und zu Highlight: Ich glaube, es gab nicht nur ein oder „das“ Highlight, sondern für mich ist es die Vielzahl der schönen, freien Übernachtungsplätze, und daß es bislang in unseren bereisten Ländern auch überall so problemlos möglich war. Und erst der wechselnde Blick aus unseren Fenstern bei den Traumlocations: Einfach klasse! Generell müssen wir aber sagen: Am Schönsten ist der Luxus, Zeit zu haben, und das Privileg, so reisen zu können, wie wir dies aktuell machen. Dafür sind wir beiden sehr dankbar!

Tanja: Boris hat absolut Recht: Zeit zu haben, ist schon Luxus pur! Schön sind aber auch auf jeden Fall die vielen positiven Rückmeldungen, die wir unterwegs in den Ländern auf unser Reisefahrzeug erhalten. Man ist doch eigentlich recht groß und paßt nicht so recht ins Bild, aber bislang gab es nie ein ärgerliches Hupen oder abfällige Kommentare. Im Gegenteil, und das ist schon toll! Ansonsten war für mich am Schönsten, wenn wir einen traumhaften, einsamen Stellplatz gefunden haben, die Sonne schien und man den Geräuschen der Natur lauschen konnte. Genauso wie Boris beschreibt. Das mit der Einsamkeit war leider bislang nicht überwiegend so – auch wenn es auf den Fotos immer so aussieht -, insofern habe ich dies schon immer sehr genossen, wenn wir tatsächlich mal alleine waren. Und die Frage nach dem „Lowlight“: Nun ja, wär‘ schon gut gewesen, eine technisch robustere Feuerwehr als Basisfahrzeug gekauft zu haben, denn an FRM-Technik hat es wirklich nicht gelegen. Sie haben uns hier schon mit ihrer geballten Erfahrung von echten Reisenden unser Traumfahrzeug aufgebaut. Hoffentlich haben wir aber dann nach diesem Jahr alles mal durch!

Pingu: Ich weiß, Ihr seid in Europa und nicht auf anderen Kontinenten unterwegs, aber gab es mal gefährliche Situationen oder habt Ihr Euch irgendwo unwohl gefühlt?

Tanja: Nein, definitiv nein!

Boris: Also, wenn gefährliche Situationen, dann nur durch die eigene Unfähigkeit, LKW zu fahren. Natürlich nach einer gewissen Einfahrzeit jetzt nicht mehr. Aber ansonsten: Menschen, Übernachtungsplätze: Nein!

Pingu: In 2017 hattet Ihr Euch mal spaßeshalber Gedanken über Eure zukünftige Rollenaufteilung gemacht. Was ist daraus geworden?

Boris: Also für mich ist es so eingetroffen, wie vermutet oder geplant! Tanja macht weiter die Reiseplanung und die Social Media Auftritte, ich mache das Fahren, wobei dies jedoch mehr ist, als gedacht.

Tanja: Ich muß es ja zugeben: Boris ist ein wahrer Schatz und macht den Löwenanteil der Arbeit! Sei es Fahren, Kochen, Patsha Reparieren, Feuerholz Holen und Feuer Machen… Luxus pur für mich! Es kann so bleiben! 😉

Pingu: Vermißt Ihr eigentlich etwas?

Tanja: Eigentlich sind es 2 Dinge, die mir spontan einfallen: Ein guter Wäschetrockner und daß wir doch mal öfters an einem Platz länger bleiben. Bei letzterem sind wir natürlich selber schuld – wahrscheinlich sind wir immer noch zu schnell unterwegs oder wollen zu viel sehen! -, aber mit dem Wäschetrocknen ist es tatsächlich schwieriger als früher. Im Bad die Sachen zu trocknen war im Winter wegen der Feuchtigkeit nicht leicht, und einen Stellplatz mit Bäumen zu finden, möglichst einsam und dann auch noch bei Sonne, war noch schwieriger. Irgendwie hat man dabei immer das Gefühl, andere zu stören, auch wenn wir nie eine derartige Rückmeldung erhalten hatten.

Boris: Also, von der Arbeit fehlt mir schon das Miteinander mit den Kollegen. Aber während des Reisens vermisse ich am meisten die Möglichkeit, unser Auto – also unser Haus – irgendwo abstellen zu können, um dann mit einem Beiboot (z.B. Fahrrad) irgendwo hinzufahren, z.B. in eine Stadt, für die wir einfach mit dem LKW zu groß gewesen wären. Irgendwie fehlt mir da die Flexibilität. Und generell vermisse ich auch, öfters Fahrrad zu fahren, wobei ich dies einfach mehr tun sollte…

Pingu: Und ich hätte da noch eine sehr indiskrete Frage: Ihr hattet Euch ja damals ein Budgetlimit gesetzt. Kommt Ihr damit klar? Also, ich koste ja nichts…

Tanja: Tja, die lieben Spritpreise! Das Budgetlimit haben wir leider seit Abfahrt gerissen, aber dies liegt tatsächlich an der Kombi aus „vielen Kilometern = Dieselverbrauch“ und „Dieselpreis“. Wir hatten damit gerechnet, daß dieser Posten in unserem Budget ca. 1/3 ausmacht; faktisch macht er – je nach Monat – mehr als die Hälfte aus. Puh!

Boris: Also, das stimmt! Der Sprit ist einfach zu teuer, aber das muß man akzeptieren. Ein Vorteil sind hier natürlich die 600 l großen Tanks, die uns die Möglichkeit geben, da zu tanken, wo es günstig ist, und so konnten wir bislang das Schlimmste auch umschiffen. Ich denke, daß wir dennoch immer noch sehr ‚low budget-mäßig‘ unterwegs sind, da wir auch z.B. ganz selten in Restaurants oder so gehen.

Pingu: Wie geht es denn jetzt weiter?

Tanja: Von der Route her hatten wir uns überlegt, ob wir doch noch Marokko einbauen, selbst wenn wir dann wieder kurzfristig nach Süd-Spanien zurückfahren müßten. Auch wenn die Fähren jetzt wieder zu gehen scheinen, was ist, wenn die Fährverbindungen dann wieder kurzfristig gekappt werden würden… Im Hochsommer dann in Marokko festsitzen, oder gar länger, nein! Wir haben an dieser Stelle jetzt mehr Zeit für Portugal und Spanien eingeplant, und dann soll es ja wieder retour Richtung Norden gehen: Skandinavien. Ob wir dann über Finnland und das Baltikum zurückfahren oder doch anders, wissen wir heute noch nicht. Wird sich dann anhand der Sicherheitslage entscheiden.

Boris: Ja, nach Portugal und Nord-Spanien kommt dann auch nochmal Deutschland dran, denn weitere Updates der Reparaturen oder auch noch ein paar Änderungen am Fahrzeug sind bereits geplant. Aber dann rufen Skandinavien und das Baltikum.

Pingu: Das hört sich ja super an! Dann freue ich mich doch schon mal auf weitere Tage hier auf meinem Panorama-Fensterplatz und das ich Euch begleiten darf!

 

Unser toller Übernachtungsplatz am Barragem do Pego do Altar – nach dem Regenguss.
Die Rausfahrt am nächsten Morgen ging wider Erwarten problemlos – trotz softem Untergrund.
Übernachtungsplatz am Atlantik (Aberto Nova).
Traum-Übernachtungsplatz für 2 Nächte am Barragem do Divor.
Unsere bislang ungewöhnlichste Übernachtung mit Patsha in einer stillgelegten Mine.

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