Der Preis der Freiheit (Teil 1/3)

von root

Bequem, mit seinem komfortablen Zuhause, direkt auf einer steilen Klippe stehen, mit wundervoller Sicht auf die wogenden Wellen darunter am Strand, und den grenzenlosen Blick auf den tiefblauen Horizont schweifen lassen: Das ist Freiheit! Und im nächsten Moment entscheiden, weiter zu ziehen, um am Tag danach dem Rauschen der dunkelgrünen Blätter im Wald zuzuhören, die sich wie ein schützendes Dach über einem schließen; all‘ dies löst ein Gefühl von Wohlbefinden und Zufriedenheit aus. Das ist Freiheit! Weniger emotional wird dieser Begriff auch beschrieben als (LINK): Zustand, in dem jemand frei von bestimmten persönlichen oder gesellschaftlichen, als Zwang oder Last empfundenen Bindungen oder Verpflichtungen, unabhängig ist und sich in seinen Entscheidungen o. Ä. nicht eingeschränkt fühlt.

Das ist doch, warum man reist, oder? Das ist doch der Grund, warum man „ausgestiegen“ ist, nicht wahr? Wir reisen jetzt seit über 2 Jahren; mit unserem Zuhause Patsha zunächst in Europa, und nunmehr seit fast einem Jahr in Nordamerika. Wir haben uns aus Deutschland abgemeldet und bereuen unsere Entscheidung, als Overlander unterwegs zu sein, in keiner Sekunde. Wir gewinnen so viel; in erster Linie die für uns grandiosen und abwechslungsreichen Natureindrücke, die wir uns erhofft haben. Und es war toll, bereits davor träumen zu dürfen: Den Aufbau von Patsha als Projekt sehen zu können mit dem Ziel, sich seinen Lebenstraum verwirklichen zu dürfen. Die Vorfreude war damals riesig. 2 Jahre nach Reisestart ziehen wir erste Bilanz, und auch wenn wir nach wie vor dankbar sind, dieses (Reise-)Leben so leben zu dürfen und zu können, so gewinnen wir mehr und mehr auch die Erkenntnis, daß nicht alles leicht und unbeschwert ist, denn: Diese Freiheit hat ihren Preis!

Folgende Punkte waren uns von vorneherein klar und beziehen sich erstmal rein auf uns und unser Fahrzeug:

  1. Extrem kleiner Wohnraum: Wahrscheinlich dürfen wir uns hier überhaupt nicht beschweren, reisen wir doch in der „Komfortklasse“ – abgesehen von den riesigen kanadischen oder amerikanischen Reiseschiffen. Viele andere reisen und leben in Campervans, oder sogar in Geländewagen, weswegen wir uns gewiss nicht mit jenen vergleichen (dürfen). Aber wie andere auch kommen wir von „etwas Größerem“, d.h. einem Haus, und wir haben nicht nur unseren Hausstand drastisch reduziert – bis auf Fotos ist faktisch nichts eingelagert, sondern verkauft, verschenkt, der Rest ist bei uns onboard -, sondern auch die Größe unseres Wohnraumes haben wir minimiert. Prinzipiell ist dies für uns kein Problem, denn tatsächlich hat man „den ewig großen Garten vor der Haustür“ – zumindest bei gutem Wetter –; nur im Vergleich zu anderen, tlw. größeren Grundrissen, müssen wir uns schon oft im Flurbereich „aneinander vorbeidrücken“. Dafür ist unser für jene Quadratmeter praktisch ausgelegt. Im Nachhinein würden wir tatsächlich die berühmten 20 cm in der Länge nicht mehr einsparen, um so unseren Traumgrundriss mit einer Rundsitzgruppe zu gestalten. Aber jetzt ist es so, wie es ist. Und so kommen wir direkt zu unserem nächsten Punkt:
  1. Überall Staub: Unsere Fenster sind dicht, wirklich! Aber wir kommen beim Staub-Putzen nicht mehr hinterher! Jetzt ist bei uns nicht alles „klinisch rein“, aber es sollte schon „sauber sein“, und tatsächlich putzen wir – ok., eigentlich nur Boris! – am meisten unsere Fenster, denn man möchte ja in die schöne Natur schauen. Und auch wenn wir nicht viele Quadratmeter haben: Man putzt an einem Tag und am nächsten ist schon alles wieder voller Staub, der noch so schön herrlich durch die Luft wirbelt. Absolut keine Ahnung, wo der immer herkommt, und dabei waren wir noch in keiner Sandwüste, aber Saugen und Wischen scheinen irgendwie bereits jetzt schon nicht mehr auszureichen. Also, wer eine Staub-Allergie hat, sollte sich wohl vorher schon Gedanken machen, wie er dies in den Griff kriegen möge. Ach ja, habe ich schon erwähnt, daß ich Sand nicht mag? ☹ Wir leben jetzt damit und haben es akzeptiert, aber sollten wir mal Besuch in unserem Zuhause bekommen, müssen wir wahrscheinlich vorher einen Großputz starten, oder wir nehmen uns die Freiheit… Das führt uns zu unserem nächsten Punkt:
  2. 24/7 permanent zusammen: Also, Besuch haben wir selten, und so müssen wir mit uns selber auskommen. Und oh‘ Wunder: Dies klappt sogar 😉, wissen wir doch von vielen Urlauben zuvor, daß dies für uns kein Problem darstellt! Aber, ‚kleiner Raum‘ + ‚Non-stop-Zusammen‘ = ‚keine Privatsphäre‘ = ‚kein Entkommen‘! 😉 Es ist ja nicht so, daß man dies nicht vorher schon gewußt hätte, aber ‚wissen‘ und ‚leben‘ können manchmal zwei unterschiedliche Dinge sein. Wir kommen damit klar und „flüchten“ auch nicht voreinander, aber von manchen wissen wir, daß eine separate Sitz-/Liegefläche im Fahrerhaus zum Rumlümmeln Gold wert sein kann. Apropos Fahrerhaus bzw. Patsha:
  3. Das Overlanderleben ist abhängig von dem Funktionieren des eigenen Zuhauses: Auch dieser Punkt war uns von Anfang an klar und ist logisch, und uns war auch bewußt, daß wir lernen müssen, selber (mehr an) Patsha reparieren zu können. Wer sich nicht dreckig machen will, der wird unserer Meinung nach Schwierigkeiten bei solch‘ einer Reise haben. Was wir aber definitiv unterschätzt hatten, ist, daß wir mangels Automechanik-Kenntnissen doch sehr auf die Hilfe anderer angewiesen sind und insbesondere bei der Entstehung von technischen Problemen Schwierigkeiten haben, deren Risiko selber einzuschätzen (wir erinnern uns nur allzugut an „Patsha bremst uns aus“ und „Patsha schiebt uns an„). Man kommt nicht drumherum, an seinem Auto zu schrauben – das war klar –, aber uns ist bei unserem ersten Besuch in den USA überdeutlich bewußt geworden, daß uns keiner in den Werkstätten helfen konnte (oder wollte), da man Mercedes Benz hier nicht kennt. So können technische Probleme einen mürbe machen, da sie nicht gelöst werden – wohin gehend man in Deutschland oder Europa „einfach“ eine Werkstatt aufsuchen würde und „kurze Zeit“ später ist „alles wieder gut“. Und es ist wichtig, daß man Probleme nicht aussitzt, denn häufig ist man remote unterwegs und das Auto sollte verläßlich sein. Die mentale Belastung dieses Punktes hatten wir tatsächlich unterschätzt, sind wir doch deswegen extra lange in Europa auf Testreise gegangen, um Dinge vorab auszumerzen, und hatten ein altes, eigentlich leicht zu reparierendes Basisfahrzeug gekauft. Hier sind alle, die eine Affinität zur Do-it-yourselves-Autoreparatur haben, klar im Vorteil. Wir „hangeln“ uns durch, mithilfe von ganz lieben Kontakten und anderen Reisenden, und lernen natürlich dabei bzw. werden routinierter. Insbesondere sind wir Benny von FRM-Technik unendlich dankbar, daß wir jederzeit auf seine Unterstützung und seinen Rat zählen dürfen. Gefühlt haben jedoch nur wir soooo viele technische Probleme, während alle anderen easy-going durch die Welt reisen (was sich in Gesprächen mit anderen Reisenden natürlich schnell relativiert). Allen, die auf Reise gehen wollen, können wir nur raten: Entweder seid Ihr ein geborener Schrauber, oder baut Euer Netzwerk auf, um zumindest Rat einholen zu können, denn nicht alles findet man in diversen Allrad-Foren oder auf Youtube. Man hatte uns auch geraten, einen Schrauberkurs zu belegen – leider hatten wir damals in Deutschland keinen gefunden, der dieses für unser Fzg. anbietet -, aber wenn wir uns rückblickend unsere Probleme anschauen, sind wir nicht sicher, ob ein Schrauberkurs diese abgedeckt hätte. Und leider müssen wir zusätzlich auch sagen: Unsere Werkstatt-Erfahrung ist jene, daß wenn ein Problem behoben wird, mindestens ein neues – durch die Reparatur bedingt – auftauchen wird. Deswegen wägen wir (vielleicht) zu viel ab, was wir reparieren lassen und was nicht, anstatt es vielleicht in einer (Hinterhof-)Werkstatt einfach zu versuchen. Wir hoffen, daß wir irgendwann mal mit dem Gröbsten durch sein werden, und in Südamerika ist MB auch wieder häufiger vertreten. Sozusagen: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Jetzt fallen uns natürlich noch weitere Punkte für „unseren Preis der Freiheit“ ein, die wir gerne in zwei zukünftigen Blogartikeln behandeln wollen; diese in den Kategorien „Reisen in (anderen) Kulturen und Ländern“ und „Reisealltag“. Vielleicht bringen sie für den einen oder die andere etwas Licht in das „träumerische Overlanderleben“, jenseits der schönen Sonnenuntergangsbilder, denn nach wie vor: Wir leben unseren Traum! Und der ist wunderschön!!!

(Musik von: https://www.musicfox.com/)

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